Steuerhinterziehung eines Finanzbeamten rechtfertigt seine Entfernung aus dem Dienst
BayVGH, Urteil vom 09.05.2018 – 16a D 16.1597
SACHVERHALT
Der Beklagte ist seit 1976 bei der Finanzverwaltung in Bayern, zuletzt als Steueroberinspektor (Besoldungsgruppe A10), beschäftigt. Seine Freistellungsphase der Altersteilzeit begann im Oktober 2017. Ruhestandsbeginn ist der 01.07.2019.
(1) Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind hinterzogene Steuern in Höhe von 106.111,53 € aus folgenden Sachverhalten:
(a) Erbschaft-/Schenkungsteuer
(a1) Der Beklagter erbte von seinem Vater im Jahr 1995 zusammen mit seiner Mutter je 50 % des im Ausland belegenen Bar-/Depotvermögens bei der UBS in Zürich sowie bei der Raiffeisenbank Reutte.
(a2) Im Jahre 2005 schenkte seine Mutter ihm deren Anteil (ca. 385.000 EUR) an dem bei der UBS Bank angelegten Vermögen.
(a3) Schließlich verstarb im Jahre 2008 die Mutter des Beklagten, die dieser als Alleinerbe beerbte. Ausländisches Geldvermögen war zu diesem Zeitpunkt bei der Raiffeisenbank Reutte in Höhe von ca. 175.000 EUR vorhanden.
Der Beklagter verschwieg die ausländischen Geldvermögen in den Erbschaftsteuererklärungen und unterließ die Abgabe einer Schenkungsteuererklärung für den Vorgang aus 2005. Hierdurch wurden sowohl Erbschaftsteuer zu niedrig als auch keine Schenkungssteuer festgesetzt.
(b) Einkommensteuer
Indem der Beklagte es unterließ, die Kapitalerträge aus dem Auslandsvermögen in seinen Einkommensteuererklärungen der Jahre 1995 bis einschließlich 2010 anzugeben, verwirklichte er diesbezüglich ebenfalls den Tatbestand einer Einkommensteuerhinterziehung in 16 Fällen, die zum Teil strafrechtlich verjährt waren.
(2) Selbstanzeige
Im Jahre 2014 reicht der Beklagte erfolgreich eine strafbefreiende Selbstanzeige zum Finanzamt ein. Im Disziplinarverfahren erklärte er die Herkunft der Geldmittel mit einer Zuwendung eines Kriegskameraden seines verstorbenen Vaters, der sich diesem zu Dank verpflichtet gefühlt habe.
(3) Disziplinarverfahren
Wie mit der Disziplinaranklage beantragt, stufte das Verwaltungsgericht den Beklagten in das Amt eines Steuerinspektors (Besoldungsgruppe A9) zurück. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung dadurch, dass der Beklagte den Sachverhalt so eingeräumt habe, doch durch die außerdienstlich begangene Straftat habe dieser gegen die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten eines Beamten in der Finanzverwaltung verstoßen. Die eingetretene Straffreiheit lasse im Übrigen die Dienstpflichtverletzung unberührt. Die strafrechtlich in mehreren Taten begangene Steuerhinterziehung sei disziplinarrechtlich einheitlich zu würdigen. Das Gericht ist von dem Orientierungsmaßstab einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unter dem Blickwinkel des Milderungsgrundes der freiwilligen Selbstanzeige und dem dadurch in positiver Weise beeinflussten Persönlichkeitsbild sowie der insgesamt über seine gesamte Dienstzeit hinweg erfolgten positiven Bewertung durch seine dienstlichen Vorgesetzten abgerückt und habe eine Maßnahmenstufe (Zurückstufung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt) nach unten angezeigt gesehen.
Der Beklagte legte gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berufung ein und argumentierte, dass das Gericht es unberücksichtigt gelassen habe, dass bei einer strafbefreienden Selbstanzeige der Sachverhalt gar nicht öffentlich werden könne, und damit auch keine negative Vorbildwirkung in Bezug auf ein angemessenes Verhalten eines Finanzbeamten entfalten könne. Er genieße im Übrigen wie jeder Bürger auch ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Schließlich sei er, wie jeder erkennen könne, ohne jeden äußeren Zwang zu einem rechtmäßigen und korrekten Verhalten zurückgekehrt.
ENTSCHEIDUNG
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Verwaltungsgerichtes.
(1) Entscheidungsmaßstab
Grundsätzlich ist ein Beamter außerhalb seines Dienstes nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 S.3 BeamtStG). Ein außerdienstliches Fehlverhalten ist nur dann als Dienstvergehen zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 S.2 BeamtStG). Schutzgut ist die Erhaltung eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche Verwaltung, d.h. in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Frage der Disziplinarwürdigkeit eines außerdienstlichen Fehlverhaltens dem konkreten Dienstposten und damit dem konkreten Aufgabenbereich des betroffenen Beamten Bedeutung zuzuweisen. Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich eine Indizwirkung ergeben, weil der Beamte mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert wird. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens zu dem dem Beamten übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass ein außerdienstliches Fehlverhalten geeignet ist, dieses Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert.
Im vorliegenden Fall weist die außerdienstliche Steuerhinterziehung den denkbar engsten Bezug zum Aufgabenbereich des Beklagten auf, der bei seiner Dienststelle für die Einkommensteuerveranlagung zuständig war. In diesem Punkt weist das Fehlverhalten einen Bezug zu seinen dienstlichen Kernpflichten auf, nämlich der Verletzung von Steuervorschriften entgegenzuwirken. Das Fehlverhalten war deshalb in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Darüber hinaus führt es zu einer erheblichen Schädigung des Vertrauensverhältnisses zu seinen Dienstherrn. Ein derartiger Verstoß lässt einen solchen Beamten für den Dienst in der Steuerverwaltung grundsätzlich nicht mehr als tragbar erscheinen.
(2) befreiende Selbstanzeigewirkung für das Disziplinarrecht?
Unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 28.07.2011 – 2 C 16/10, betont das Gericht, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige den Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens und damit dessen disziplinarrechtlicher Relevanz unberührt lässt. Es ist ohnehin verfassungsrechtlich ausgeurteilt, dass Beamte im Vergleich zu Nicht-Beamten unabhängig von einer strafrechtlichen Ahndung eines Fehlverhaltens disziplinarrechtlich für das relevante Fehlverhalten belangt werden können. Darüber hinaus kommt es auch nicht darauf an, dass das Fehlverhalten aufgrund des Erfolges der Selbstanzeige einer interessierten Öffentlichkeit nicht bekannt wird, denn Schutzgut jedenfalls der Vorschriften des bayerischen Disziplinargesetzes ist nicht das Ansehen einer konkreten Behörde in der Öffentlichkeit, sondern vielmehr die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als solchem.
Soweit bezüglich Bundesbeamter noch die Vorschrift des § 77 Abs. 1 S.2, 2.Alt. BBG (Ansehen des Berufsbeamtentums) eine Rolle dabei spielen kann, dass eine Selbstanzeige gerade durch Verhinderung des Gangs in die Öffentlichkeit den Ansehensschaden in der Öffentlichkeit ausschließt, ist auch dieses Argument unter Bezugnahme auf das intendierte Schutzgut des bayerischen Disziplinargesetzes (Integrität und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit) ohne Belang.
(3) Bestimmung der Disziplinarmaßnahme
(a) Strafrahmen des verletzten Strafgesetzes
In erster Stufe ist auf den Strafrahmen des verletzten Strafgesetzes zurückzugreifen, da in diesem die gesetzgeberische Vorstellung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht worden ist. Die Bemessung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige Ahndung außerdienstlicher Straftaten, ohne dass die Disziplinargerichte in diesem Punkt eigene Vorstellungen entwickeln müssten.
(b) Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme
Anhand des Strafrahmens sowie eines hinreichenden Bezuges des Verhaltens des Beamten zu seinem Amt ermittelt sich der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme. Ist ein hinreichender Bezug (wie im vorliegenden Fall gegeben) des Beamten zu seiner konkreten Amtstätigkeit und –aufgabe gegeben, so reicht der mögliche Orientierungsrahmen bereits für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Eine Steuerhinterziehung eines in der Finanzverwaltung tätigen Beamten reicht somit aus, grundsätzlich sämtliche disziplinarischen Maßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu verhängen. Die konkrete Bemessung der Disziplinarmaßnahme hängt dann aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten zur Verletzung der Strafnorm von einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ab, da die Vielfältigkeit der Begehungsmöglichkeiten die Vorgabe einer Regel-Disziplinarmaßnahme entgegensteht.
(c) Im vorliegenden Fall wertete das Gericht zulasten des Beamten die Häufigkeit und die Dauer der von 1995-2012 begangenen Steuerhinterziehungen, das Auslassen der Möglichkeiten zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit trotz der vorhandener vielfältiger Möglichkeiten sowie die Gesamthöhe der hinterzogenen Steuer von mehr als 100.000 EUR, die sich damit deutlich jenseits einer Bagatellgrenze bewegt. Die hinterzogene Steuer betrachtet das Gericht in dieser Höhe sogar als eigengewichtiges Argument.
Zu seinen Gunsten und damit mildernd wurde bewertet, dass der Beamte final die Selbstanzeige eingereicht hat. Das Gericht wertet diesen Umstand mildernd, wenn der betroffene Beamte aufgrund freiwilliger Offenbarung handelte. Dazu muss der Beamte das Dienstvergehen vor dessen Entdeckung aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung vorbehaltlos und vollständig offenlegen. Der Milderungsgrund greift nicht mehr ein, wenn der Beamte die Offenbarung vollzieht, weil er damit gerechnet hat, dass deswegen gegen ihn ermittelt wird (Tatentdeckung). Liegt eine Umkehr aus freien Stücken vor, rechtfertigt dies selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtverstößen regelmäßig eine Disziplinarmaßnahme zu bestimmen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme. Dies gilt nur dann nicht, wenn diesem Milderungsgrund erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht entgegenstehen.
Zwar hat das Gericht im vorliegenden Fall erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit der Offenbarung deswegen geäußert, weil insbesondere die Fälle der Kapitalanlage im Ausland bei der UBS Bank in der Schweiz in besonderem Maße durch die in der Presse mehrfach beschriebenen Ankäufe und Auswertungen von Steuer-CD’s der drohenden Tatentdeckung durch die Steuerverwaltung zugänglich waren, jedoch hatte es trotzdem nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ die Selbstanzeige maßnahmenmildernd berücksichtigt, da das Gericht letztlich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür erkennen konnte, dass die Selbstanzeige nicht aus freien Stücken abgegeben worden war.
Aus der an und für sich verwirkten Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienstverhältnis war daher abzusehen und auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung zu erkennen.
FÜR DIE PRAXIS
AUSSERSTEUERLICHE WIRKUNG EINER SELBSTANZEIGE UND AUSSERSTRAFRECHTLICHE VERTEIDIGU
So wenig eine steuerstrafrechtliche Selbstanzeige vor der Verfolgung für Verstöße gegen §§ 298, 299, 311ff, 266a StGB schützt, schützt sie vor Disziplinarmaßnahme im Beamtenverhältnis. Scheitert die Selbstanzeige drohen neben den besonderen strafrechtlichen noch weitere außerstrafrechtliche Konsequenzen. Betroffen sind insbesondere jene Tätigkeiten, die unter einem öffentlich-rechtlichen Ausübungsvorbehalt stehen und die im besonderen Maße ein integeres, rechtstreues Verhalten voraussetzen. Bei Jägern steht der Verlust der Waffenbesitzberechtigung im Raume, Piloten droht der Verlust der Flugtauglichkeit und bei Ärzten oder Apothekern steht die Approbation auf dem Spiel. Eine umsichtige steuerstrafrechtliche Verteidigung muss daher nicht nur die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Aspekte als Kernaspekte der Verteidigung beachten, sondern auch die außerstrafrechtlichen Konsequenzen für den Mandanten im Blick behalten.