Umsatzsteuerrechtliche Organschaft – Prüfung umsatzsteuerlicher Konsequenzen
Wie bereits in meinem letzten Standpunkt angedeutet, hat das Bundesfinanzministerium mit brandaktuellem Schreiben vom 26.05.2017 auf die jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung bezüglich umsatzsteuerrechtlichen Organschaften des EuGH und des BFH reagiert.
1. Personengesellschaften als taugliche umsatzsteuerliche Organgesellschaften
Mit Änderung des Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) wird nunmehr die Verwaltung gezwungen sein anzuerkennen, dass Personengesellschaften entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung taugliche Organgesellschaften sein können. Bisher galt, dass Personengesellschaften des Handelsrechts (OHG, KG) stets selbständige und damit nicht eingegliederte umsatzsteuerliche Unternehmer sind (Abschn. 2.2 Abs. 5 UStAE -alt-). Damit kamen sie als Organgesellschaft nicht in Betracht. Die neue Regelung sieht vor, dass jede Personengesellschaftsform, gleich ob solche des Handelsrechtes oder des allgemeinen Zivilrechts, wie die BGB-Gesellschaft oder Partnerschaftsgesellschaften, Organgesellschaften sein können, sofern sie in ein Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sind.
Der Paradigmenwechsel ist damit auch für die Verwaltung bindend angekommen. Liegt eine Eingliederung vor, dann ergeben sich die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen zwingend; Wahlrechte bestehen hier nicht. Die Folge ist, dass unfreiwillig organschaftliche (Haftungs-) Verantwortung eines Organträgers begründet oder aufgehoben wird. Je nach Intensität kann die Auswirkung existenzvernichtend sein, so dass dringend zu empfehlen ist, Personengesellschaftsstrukturen in Bezug auf die neuen Verwaltungsauffassungen zur Organschaft zu prüfen.
Dazu gewährt das BMF-Schreiben Luft bis zum 01.01.2019, da die neuen Regelungen des UStEA erst auf Umsätze anzuwenden sind, die nach dem 31.12.2018 ausgeführt werden.
Die Begründung einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu Personengesellschaften setzt wie bei der Betrachtung von Kapitalgesellschaften die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung voraus.
2. Finanzielle Eingliederung
Nach der neuen Verwaltungsauffassung ist jedenfalls von einer finanziellen Eingliederung einer Personengesellschaft nur dann auszugehen, wenn neben dem Organträger nur solche Personen Gesellschafter der Personengesellschaft sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleitet ist. Mittelbare Beteiligungen, auch nicht-unternehmerische, sollen für die Vermittlung eine Eingliederung allerdings schon ausreichen.
In Konsequenz bedeutet dies, dass Personengesellschaften bestehend aus mehreren natürlichen Personen nicht betroffen sind. Sobald Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaftsbeteiligungen gebildet werden (bspw. die Betriebs „GmbH & Co. KG“) bedarf es einer eingehenden Prüfung der umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Dies gilt auch dann, wenn hinter der GmbH & Co. KG nur eine natürliche Person steht!
Für Kapitalgesellschaften ändert sich aufgrund des BMF-Schreibens auch insoweit etwas, als Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten alleine keine Relevanz bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung mehr haben werden, solange diese Maßnahmen nicht ausschließlich aus Regelungen der Gesellschaftssatzung abgeleitet werden können. Diesbezüglich besteht Prüfungsbedarf um zu verhindern, dass Gesellschaften nicht ungewollt aus Organkreisen ausscheiden.
3. Organisatorische Eingliederung
Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht und seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Nicht ausreichend ist, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH, Urt. v. 08.08.2013, V R 18/13 und BFH, Urt. v. 02.12. 015, V R 15/14).
Letzteres ist eine eindeutige Neuerung zur bisherigen Verwaltungsauffassung, die bereits durch die Rechtsprechung des BFH angedeutet war. Hier besteht für Unternehmen vielfach Handlungsbedarf.
Der Abschluss eines Beherrschungsvertrags ist darüber hinaus als Maßnahme zur organisatorischen Eingliederung bestärkt worden.
Hat die Organgesellschaft mit dem Organträger einen Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG abgeschlossen oder ist die Organgesellschaft nach §§ 319, 320 AktG in die Gesellschaft des Organträgers eingegliedert, ist von dem Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung auszugehen, da der Organträger in diesen Fällen berechtigt ist, dem Vorstand der Organgesellschaft nach Maßgabe der §§ 308 bzw. 323 Abs. 1 AktG Weisungen zu erteilen. Allerdings ist klargestellt worden, dass die Wirkung für die organisatorische Eingliederung erst ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung in das Handelsregister begründet wird, da dieser Eintragung konstitutive Wirkung zukommt!
4. Zeitlicher Anwendungsbereich und Handlungsnotwendigkeiten
Die vorstehend beschriebenen Änderungen sind auf ab dem 01.01.2019 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Vorher können Steuerpflichtige sich auf diese Regelungen berufen, wenn dies Organträger und Organgesellschaft übereinstimmend tun.
Unternehmerische Betätigungen unter Einsatz von Personengesellschaften (gleich ob im Konzern oder in der erweiterten Einzelunternehmung) sind vor dem Hintergrund der vorgenannten Ausführungen auf ihre umsatzsteuerlichen Konsequenzen zu prüfen, um zu vermeiden, dass ein Nichtstun in existenzbedrohende Zustände führt. Dies betrifft einen Einzelunternehmer, der nicht für die Umsatzsteuerschulden seiner GmbH & Co. KG haften möchte, genauso wie den Konzernlenker, der unter den Gesichtspunkten der steuerlichen Compliance ungewollte Steuerschuldverschiebungen in seiner Unternehmensgruppe vermeiden muss.
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