Digitale Gründung: Der Gang zum Notar entfällt
Präsenzpflicht vor dem Notar entfällt: EU „Company Law Package“ macht die digitale Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) möglich
Seit dem 01.08.2022 dürfen in Deutschland Kapitalgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH und einer UG (haftungsbeschränkt) auch online gegründet werden. Dadurch wird den beteiligten Gründern von Start-Ups und Investoren aus dem In- und Ausland der Gang zum Notar erspart. Ab sofort reicht es aus, sich im Rahmen einer Videokonferenz unter Ausnutzung einer digitalen Signatur in den Gründungsakt mit dem Notariat zu verbinden und die digitale Gründung vom Schreibtisch aus vorzunehmen. Zeit- und Verwaltungsaufwand werden dadurch deutlich reduziert.
Die EU-Kommission hat mit ihrem Company Law Package vom 25. April 2018 neben weiteren Vorschlägen zur Ermöglichung EU-weiter, grenzüberschreitender Umstrukturierungen auch Möglichkeiten und Vorschläge gemacht, digitale Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht zu implementieren. Bei allen diesen Vorschlägen geht es darum, die Mobilität von EU- Gesellschaften zu fördern und zu vereinfachen. Teile dieser Ideen wurden in Deutschland durch Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) im Juli 2021 umgesetzt.
Neben der Gründung einer GmbH oder einer UG sind darüber hinaus ab dem 01.08.2022 auch bestimmte Handelsregisteranmeldungen sowie bestimmte Beglaubigungen online durchführbar. Der Gang in das Notariatsbüro kann entfallen.
GmbH und UG: Digitale Gründung über das Internet
Die Möglichkeit der digitalen Gründung einer Gesellschaftist derzeit noch auf den Bereich der Kapitalgesellschaften und hier ausschließlich in Bezug auf die Rechtsform der GmbH und der Unternehmergesellschaft (UG) beschränkt. Die Gründung anderer Formen von Kapitalgesellschaften wie die Aktiengesellschaft oder die SE (Societas Europea) sowie die Gründung von Personengesellschaften (soweit die Gründung überhaupt beurkundungspflichtig wäre) sind für dieses Verfahren noch nicht zugelassen.
Die digitale Gründung ist dabei derzeit nur als Bargründung und nicht als Sachgründung möglich. Es steht hierfür auch ein Musterprotokoll zu Gründung zur Verfügung.
Die Gründung via Internet wird dabei über ein von den Notaren bereitgestelltes Videokonferenzsystem vorgenommen. Dieses System wird von der Bundesnotarkammer gepflegt, soll manipulationssicher und zuverlässig sein. Andere Videosysteme sind für diese Verfahren nicht zulässig. Zur Teilnahme an dieser Videositzung sind die Beteiligten über ein 2-stufiges Verfahren digital zu identifizieren.
Dabei erfolgt zunächst eine elektronische Identifizierung durch einen elektronischen Identitätsnachweis (eID), welcher durch einen deutschen Personalsauweis mit eID-Funktion (für deutsche Staatsangehörige), eine eID-Karte (für Staatsangehörige anderer EU/EWR-Mitgliedstaaten) sowie einen elektronischen Aufenthaltstitel mit eID-Funktion (für Angehörige von Drittstaaten) beigebracht werden kann. Deutsche oder ausländische Reisepässe oder Ausweise von Drittstaaten sind hiernach keine tauglichen Identifizierungsmittel.
Stehen diese Mittel zur Identifizierung nicht zur Verfügung können sich Beteiligte auch mittels eines von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten elektronischen Identifizierungsmittels ausweisen, wenn dieses im Rahmen eines entsprechenden Notifizierungsverfahrens des jeweiligen Mitgliedstaates für die Zwecke der grenzüberschreitenden Authentifizierung nach der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (eIDAS-VO) zertifiziert und anerkannt worden ist und dem höchsten Sicherheitsniveau („hoch“) der eIDAS-VO entspricht.
Der Notar wird die Beteiligten über die elektronisch eingereichten Informationen verifizieren, es sei denn, der jeweilige Beteiligte ist dem Notar persönlich bekannt.
Die Bundesnotarkammer hält für das Auslesen des Lichtbildes aus dem Chip eines NFC-fähigen Personalausweises eine kostenlos bereitgestellte App bereit. Dagegen steht das Video-Ident-Verfahren, bei dem ein Ausweispapier zur Übermittlung eines dort aufgebrachten Fotos per Webcam gefilmt wird, nicht zur Anwendung.
Der Notar wird im Übrigen wie bisher auch das Urkundenverfahren leiten, Identität und Geschäftsfähigkeit der Beteiligten feststellen und die elektronisch verfasste Niederschrift des Gründungsvorganges vorlesen. Die Niederschrift erfolgt nicht in Papierform, sondern elektronisch. Es bleibt ein rein elektronisches Dokument, das nicht zur Ermöglichung der Rechtswirklichkeit in Papierform verfasst werden muss.
Dieses elektronische Dokument wird zur Ersetzung der eigenhändigen Unterschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Notars und aller sonstigen Beteiligten, deren Unterzeichnung nach dem Beurkundungsgesetz vorgesehen ist, versehen.
Möglich ist auch die sogenannte „gemischte Beurkundung“, in der ein Teil der Beteiligten für sich bei dem Notar anwesend und ein anderer Teil digital Videokonferenz zugeschaltet ist. Diesem Fall wird neben der elektronischen Niederschrift auch eine inhaltsgleiche Niederschrift in Papierform wie bisher bekannt aufgenommen.
Keine weiteren Erleichterungen durch Digitalisierung
Alle sonstigen Voraussetzungen des GmbHG zur Gründung einer Gesellschaft wie beispielsweise Aufbringung des Stammkapitals mindestens in Höhe von 50 % des gesetzlichen Mindestkapitals, Versicherung der neu bestellten Geschäftsführer sowie darauf aufbauende Haftungstatbestände bestehen unverändert fort. Insbesondere an den Voraussetzungen der Geschäftsführerhaftung und einer Insolvenzantragspflicht in der GmbH ändert sich nichts.
Nach derzeitiger Rechtslage sind weitere Maßnahmen in Bezug auf die bereits gegründete GmbH noch nicht digital über das Internet vollziehbar, soweit diese eine Beurkundung erfordern würden. Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, Gesellschafterversammlung und -beschlüsse (soweit diese beispielsweise Umwandlungsmaßnahmen erforderlich sind) sind weiterhin in Präsensform vor dem Notar durchzuführen.
Der Rechtsverkehr kann jedoch sicherlich davon ausgehen, dass der Gesetzgeber das digitale Verfahren peu á peu auch auf andere beurkundungspflichtige Maßnahmen im Kapitalgesellschaftsrecht ausdehnen wird. So liegt bereits ein Referentenentwurf von April 2022 vor, der zukünftig auch Änderung des Gesellschaftsvertrages, Sachgründungen sowie die Möglichkeit für alle Rechtsträger vorsehen soll, Beglaubigungen online vorzunehmen.
Digitale Handelsregisteranmeldungen
Einzelkaufleute, Kapitalgesellschaften (hier auch AG und KGaA) sowie Zweigniederlassungen von inländischen Kapitalgesellschaften oder von ausländischen EU-/EWR-Kapitalgesellschaften, können Anmeldung zum Handelsregister in entsprechender Anwendung dieses Verfahrens online durchführen.
Personengesellschaften (KG, oHG) sind von diesem Verfahren noch ausgeschlossen.
Auch sind Anmeldungen zum Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister sowie künftig zum GbR-Register derzeit noch nicht online durchführbar.
Kosten der Beurkundung und Beglaubigung im Online-Verfahren
Neben den im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) festgelegten Notargebühren für die Beurkundung der Gründungsurkunde bzw. die Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen entsteht eine Auslagenpauschale für die Inanspruchnahme des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer. Diese beträgt EUR 25,00 für das Beurkundungsverfahren und EUR 8,00 für das Beglaubigungsverfahren. Erfolgt die Beglaubigung mehrerer qualifizierter elektronischer Signaturen in einem einzigen Beglaubigungsvermerk, entsteht die vorgenannte Auslagenpauschale jedoch nur einmal.
Praktische Hinweise
Das Verfahren der digitalen Gründung erspart lediglich den physischen Gang zum Notar. Die übrigen Voraussetzungen für die Gründung der Gesellschaft oder Meldungen zum Handelsregister sind weiterhin zu erfüllen.
In der Praxis werden Umstände, die die Geschwindigkeit einer Unternehmensgründung beschränken (wie beispielsweise die Errichtung eines Bankkontos für die Gesellschaft) von diesem Verfahren nicht berührt. Insbesondere diesbezüglich ist darauf zu achten, sowohl frühzeitig für die Eröffnung eines Bankkontos zu sorgen, als auch praktisch eine für die postalische Zustellung von Gerichtspost erkennbaren Briefkasten vorzuhalten. Insbesondere bei Gründungen aus dem Ausland kann dies zu Schwierigkeiten und Zeitverzögerungen führen.
Registerauskünfte künftig gebührenfrei
Als weiteren Vorteil hat der Gesetzgeber im DiRUG vorgesehen, dass ab dem 01.08.2022 der Abruf aller Registerinhalte aus dem Handels-, Genossenschafts-, Vereins- und Partnerschaftsregister sowie der elektronisch verfügbaren Dokumente über das gemeinsame Registerportal der Länder kostenfrei angeboten werden.